18. – 24.9.
18.9.
Eigentlich sollte es ja schon vergangenen Samstag losgehen. Aber das Wetter macht uns einen dicken Strich durch die Rechnung. Starkregen, Sturm und Überschwemmungen machen eine Fahrt unmöglich. Also haben wir die ganze Tour um ein paar Tage verschoben. Die Anreise erfolgt dann in zwei Gruppen. Treffpunkt für Gruppe ART (= Alfi, Robert und Thomas) ist in Natschbach an der S6 und nimmt den Weg über Feistritzsattel durch die Steiermark nach Slowenien. Während die Zweite, eine Offroad-Gruppe, den direkten Weg über die S6 nimmt um dann noch ein paar Offroadpassagen mitnehmen zu können. Abends sollen dann alle in Slovenj Gradec im Hotel Hisa Ancka eintreffen. Gruppe ART ist schon beim Garagenbier, da gibt es ein Problem bei Gruppe FME. Kurz vor dem Ziel streikt Frank’s Motorrad und springt nicht mehr an.
349km
Pünktlich um 8 Uhr treffen wir uns (die Offroad-Gruppe FME = Frank, Michi und ich, Ewald) in Wöllersdorf zum kleinen Frühstück und Start der geplanten Herbsttour 2024. Überraschenderweise schaut auch Alfi kurz vorbei, der sich mit seiner Onroad-Gruppe ART etwas später auf der S6-Raststation Natschbach trifft. Die Fahrt über den Semmering ist recht frisch, kurz vorm Tunnel Mürzzuschlag ziehen wir uns unsere Regenbekleidung über, da es das Mürztal hinunter stark regnet. Beim Pausenstopp in Gralla bessert sich das Wetter und wir genießen die Kurven der Steirischen Weinstraße. Mittagspause am Grenzübergang zu Slowenien, nahe der Kirche ‚Zum Heiligen Geist am Osterberg‘, im Restaurant ‚Spitze‘. Wir machen uns zur Weiterfahrt bereit, als plötzlich Motorradgeräusche vom Grenzübergang her zu vernehmen sind. Kaum zu glauben, dieser Zufall: Die ARTs steuern auch das ‚Spitze‘ zum Essen an.
Auf Schotterstraßen geht’s hinunter ins Drautal und über Ribnica na Pohorju folgt eine rund 25 km asphaltfreie Auffahrt zur Schistation auf dem Hudi Kot.
Während wir Süßes im tollen ‚Lukov dom‘ genießen, regnet es wie aus Schaffeln!
Folgen des Starkregens: Franks Motorrad springt nicht mehr an und das 15 km vor der Unterkunft in Slovenj Gradec! Unser Glück: Die nächsten 14 km geht es nur bergab – auch alle Versuche, das Motorrad fahrenderweise ‚anspringen‘ zu lassen, misslingen – und so kann Frank seine BMW bis rd. 1 km vor dem Hotel ausrollen lassen. Im Stadtzentrum erkundigt sich ein Passant beim schiebenden Frank nach dem Problem und verspricht gleich darauf, seinen Freund, ein guter Mechaniker, am nächsten Tag um 8 Uhr im Hotel vorbeizuschicken, um die Bayerische wieder in Gang zu setzen.
FME-Gruppe ab Wöllersdorf: 357 km
19.9.
Nach diversen Reparaturversuchen samt Kerzentausch (vermutet wird Wasser im Vergaser) springt die BMW kurz an, um gleich darauf wieder zu streiken. Nachdem auch der angekündigte Freund um halb 10 noch immer nicht aufgetaucht ist, wird der Pannendienst verständigt! Zugesagt ist eine Wartezeit von 30 bis 90 Minuten! Aber da tut sich nichts. Inzwischen ist Thomas dabei die Zündkerzen zu wechseln und sonst einiges auszuprobieren. Springt dann zwar einmal an, stirbt aber kurz darauf wieder ab. Dann geht wieder nichts mehr. Auch knapp 2 Stunden später ist immer noch kein Pannendienst vor Ort – dafür steht plötzlich der zugesagte ‚Freund‘ vor uns. Seiner langjährigen Erfahrung als Motorradmechaniker ist es schließlich zu verdanken, dass er die Basic zum Laufen bringt. Kurze Reinigungsarbeiten am Zündkerzenstecker sind sein Geheimnis und endlich kann die heutige Etappe nach Sauris di Sotto beginnen! Abfahrt dann gegen 12:30. Um 19 Uhr sind wir schließlich im Hotel Morgenleit.
251km
20.9.
Gruppe ART (+Michi): Cortina, Passo Falzarego, Passo Pordoi
262km
Nachdem sich Michi kurzerhand der Onroad-Gruppe anschließt, haben Frank und ich vor, eine Tour Richtung Süden, nach Belluno, zur längsten Rolltreppe der Alpen, zu fahren. Erstes Highlight heute: Forcella di Monte Rest!
Aber bereits nach rd. 30 km kurvenintensiver Fahrt über den Pass klagt Frank über starke Übelkeit. Da sein Befinden auch nach mehreren längeren Pausen kaum besser wird, entschließen wir uns, ins Hotel zurückzufahren. Frank erholt sich im Zimmer, während ich die späten Nachmittagsstunden nutze, noch ein paar Schotterkilometer zu fahren. Über den Sella di Rioda und Sella di Razzo zweigt ein unbefestigter Weg zur ‚Malga Chiansaveit‘ ab.
Nur leider wurde vor kurzem darüber ein Fahrverbot mit Zusatztafel und Hinweis auf ein Landesgesetz verhängt, sodass hier für mich vorerst Endstation ist! Erklärung: In Italien ‚erlaubt‘ ein Fahrverbotsschild quasi ein Befahren ‚auf eigene Gefahr‘ und wird auch von Organen nicht geahndet, während eine Missachtung des Fahrverbotsschilds mit Gesetzeszusatz sehr kostspielig werden kann. Hier gilt für unsere Gruppe absolutes Umkehrgebot! Daher begebe ich mich jetzt zum Forcella Lavardet – von dort aus führt eine abenteuerliche Naturstraße hinab ins Piave-Tal nach Campolongo. Aber auch hier heißt es auf halber Strecke umkehren, ist ja der schon vor 2 Jahren nach einem Unwetter weggerutschte Weg immer noch nicht in Stand gesetzt.
Über die tollen Kehren des Sella di Rioda geht’s dann wieder zurück ins Hotel!
21.9.
Beim Frühstück erklärt uns Frank, dass er sich entschlossen hat, die Heimreise heute schon anzutreten, da er wenig Hoffnung auf baldige Besserung hat! Er besteht darauf, nicht begleitet zu werden, meint, uns eh laufend zu informieren und dass er gut nach Hause kommen wird – was dann auch so war! Ich habe mich entschlossen, heute die Tour: ‚Slowenische Grenzkammstraße‘ zu fahren.
Nach einer ersten Pause in Tarcento (15 km nörlich von Udine) fahre ich auf der kurvenreichen S646 über den Passo Tanamea und erreiche gleich darauf die Grenze zu Slowenien. Nach einigen Kehren vor Zaga gelange ich ins wunderschönen Soca-Tal! Kurz vor Kobarid liegt dann auch noch mächtig die Napoleon-Brücke vor mir!
Keine 2 km von der Brücke entfernt steht am Berghang die 300 Jahre alte ‚Kirche des heiligen St. Anton‘. Mussolini ließ auf Platten aus grünlichem Serpentin die Namen von über 7.000 italienischen Soldaten eingravieren, die hier in einer der größten Bergschlachten des Ersten Weltkriegs ihr Leben lassen mussten. Insgesamt verloren über 1 Mio. Soldaten aus 17 Nationen im Soca-, oder wie im Italienischen der smaragdgrüne Fluss heißt, im Isonzo-Tal, ihr Leben.
Empfehlenswert ist der Besuch des nahegelegenen ‚Museums Kolovrat‘ auf der Slowenischen Grenzkammstraße, wo Schützengräben der ersten Frontlinien zu sehen sind. Hier, in der wunderschönen, unberührten Natur und speziell in den begehbaren Schützengräben, wird einem die besondere Grausamkeit von Krieg eindringlich bewusst!
Der Schotter- / Naturanteil der Slowenische Grenzkammstraße hat sich mittlerweile auf knappe 5 km reduziert und verläuft auf Höhe der Ortschaft Lig im Bereich des Grenzflusses Idrija. Für Enduristen wegen der wenigen Schotterkilometer eine Enttäuschung, allerdings entschädigen tolle weitläufige Ausblicke in die herrliche Landschaft diesen Umstand etwas.
Zurück in Italien steuere ich Castelmonte an, ein vor dem 6. Jahrhundert entstandenes Kapuzinerkloster und eine der ältesten Marienpilgerstätten der Welt.
Der Weg führt mich am Fuße der Julischen Alpen entlang weiter nach Cividale del Friuli. Bei Gemona del Friuli überquere ich den Tagliamento und bestaune in einer Linkskurve der SP36 Richtung Interneppo ein lt. Wikipedia ‚öffentliches Wandgemälde‘ der Künstler Giuseppe Brombin und Floreano Jan Franzil mit berühmten italienischen Radfahrern der Vergangenheit!
Letztes Highlight heute: Die kurvenreiche SP73, die wunderschön und verkehrsarm (!) von Ampezzo zu unserer Unterkunft führt!
Slowenische Grenzkammstraße 270 km
Gruppe ART (+Michi): Monte Rest, Straßenabbruch aber Möglichkeit zu umfahren.
219km
22.9.
Die Königsetappe der Herbstreise steht heute am Programm: Die Sauriser Almtour, in einem ausgedehnten Gebiet mit einem rund 40 km langen Netz von unbefestigten Almwegen. Herrlich! Die ersten 4 km nach Sauris di Sopra fahren wir noch als Gruppe! Dann biege ich scharf rechts ab zu meinem ersten Ziel: Sella Festons. Auf 1860 m führt eine bis zu 30 % (diese und alle folgenden Steigungsangaben sind aus dem ‚DENZEL – Großer Alpen-Straßen-Führer‘ entnommen) heftig ansteigende einspurige Strecke hinauf, wobei die 11 im Innenradius extrem steilen und sehr engen Kehren noch asphaltiert sind. Meine Hochachtung gilt den Radfahrern, die hier bergauf unterwegs sind, auch wenn ihnen ihre E-Bikes etwas an Anstrengung abnehmen. Der Rundblick ist grandios und das Wetter zeigt sich auch wieder von seiner besten Seite.
Nach ein paar flacheren Kilometern geht’s rechts an der stattlichen Almhütte ‚Malga Malins‘ vorbei und auf einem Höhenrücken mit 2 Kehren folgt der wohl steilste Streckenabschnitt des gesamten Almwegenetzes mit einem Gefälle von 35 % (!). Die Kehren auf den folgenden Sella Vinadia rauf sind betoniert und vermindern dadurch etwas deren Gefährlichkeit.
Und schon wieder geht’s steil bergab. An der Gabelung bei der gleichnamigen Alm ‚Malga Vinadia‘ nehme ich den Weg rechts (links geht’s hinunter ins Val Pesarina), der über den Sattel des Monte Pieltinis (2027 m) führt. Ganz schön herausfordernd ist mittlerweile die Strecke geworden, bringen die größer werdenden Steine mein Motorrad doch immer wieder aus der Balance. Kurz nach dem Übergang nutze ich gleich den ersten Rastplatz für eine kleine Erholungspause. Eine KTM kommt mir entgegen und bleibt stehen. Hochachtung, ist der Biker, ein Salzburger, doch mit einer Beifahrerin unterwegs! Bei einem kurzen Smalltalk berichte ich ihm von den vor ihnen liegenden herausfordernden Streckenabschnitten. Hat jetzt die Sozia die Augen leicht verdreht, oder ist mir das nur so vorgekommen? 😉 Ich mache mir aber keine Sorgen, habe ich doch gesehen, wie gut er seine Orangene im Griff hat. Kurz darauf verabschieden sie sich und verschwinden am Sattel aus meinem Blickfeld.
Ich mache mich auch schön langsam wieder auf den Weg, schließlich ist es bald Mittag. Ich habe vor, im Pesarinatal Mittag zu essen. Leicht bergab führt der in eine wunderschöne Landschaft eingebettete Weg zur ‚Malga Pieltinis‘. Hier biege ich links ab, um gleich darauf über einen kaum erkennbaren Wiesenweg zur steilen Auffahrt (22 %) zum Forcella Ielma zu gelangen. Die letzten 800 m vorm Sattel sind wieder betoniert, was für die beiden Spitzkehren sicher kein Nachteil ist. Am Übergang angekommen, hat man einen herrlichen Blick auf die Pesariner Dolomiten.
Steile Abfahrt mit 20 % Gefälle über 6 ebenfalls betonierte Kehren zur ‚Malga Ielma di sopra‘, dann verschwindet der Weg im Wald zum Bivio am Plan d’Aiar und endet nach weiteren 21 Kehren als Einmündung in die Pesarinatalstraße SS465 an der ‚Ponte Arceons‘.
Mittagessen in Pesariis: Im kleinen Bergdorf – Insidern ein Begriff durch die Uhrmanufaktur Solari oder bekannt auch wegen der Kopie des schiefen Turms von Pisa 😉 – ein Restaurant zu finden, das sonntags Laufkundschaften verköstigt, grenzt auch an Abenteuer! Sonntag ist der Tag, an dem italienische Großfamilien ihre Zeit zusammen am Tisch verbringen und ein langes Sonntagsmenü genießen. Ausgebucht bis zum letzten Platz, erbarmt sich der Wirt vom ‚Inn Pik‘ doch meiner und öffnet nur für mich, einem einzelnen, hungrigen Touristen, sein Kellerstüberl! Es ist dunkel, kalt, feucht und nach Moder riechend, aber das servierte Essen entschädigt für diese Unannehmlichkeiten! Nebenbei sei noch erwähnt: Pesariis wurde bei dem Weekend Premium Green Awards als “BORGO WEEKEND GREEN NORD 2022/2023” – Grünes-Wochenende Dorf im Norden – ausgezeichnet. Die Anerkennung belohnt die grüne Exzellenz des Tourismus und der Gastfreundschaft in Italien und in der ganzen Welt!
Die bei Radfahrern überaus beliebte Strecke auf den Monte Zoncolan (schließlich geht fast jedes Jahr eine Etappe des Giro d’Italia da drüber) steht bei mir am Nachmittag am Programm. Leider wurden Wege, die hoch oben zu etlichen Almen führen, mittlerweile mit wirklichem Fahrverbot (ja genau: Italienisches Landesgesetz!) versehen. Also wieder retour ins Tal durch die drei schmalen und finsteren Tunnel.
Abschließendes Highlight heute: Es geht wieder ins Almgebiet, zuerst auf den 1824 m hohen Passo della Forcella. Der rund 7 km lange Anstieg von Mione aus weist 28 % Steigung, enge Kurven und 39 betonierte Kehren auf, ist sehr schmal und bietet kaum Ausweichen. Oben beeindruckt mich die herrliche Aussicht auf Villa Santina und die Gipfel der Julischen Alpen!
Noch ein kurzer Abstecher zum nahe der ‚Malga Losa‘ liegenden Rastplatz. Ich bin dort bereits das dritte Mal und immer noch von der Stille und der Einsamkeit hier oben und der Bergkulisse rundherum beeindruckt. Noch letzte Fotos vom unterhalb von Lateis liegenden Stausee Lago di Sauris schießen und schon schwinge ich wieder die Kurven rauf zum Quartier in Sauris, wo uns heute Loris mit seinem köstlichen Tiramisu den Abend kulinarisch versüßen wird!
Große Almrunde 90 km
Gruppe ART (+Michi): Monte Zoncolan, Panoramica delle Vette mit ca 5km Schotterpassage.
Danach noch Übersiedlung in eine andere Unterkunft, da im Morgenleit die Zimmer schon für eine andere Gruppe reserviert waren.
190km
23.9.
Ein weiterer Tag beginnt mit gemeinsamem Start. Bei herrlichem Wetter geht’s ziemlich zügig auf der kurvenreiche Strecke über den Sella di Rioda zum Sella di Razzo auf 1760 m hoch. Robert steuert den großen Parkplatz zum Fotostopp an.
Hinunter ins Piave-Tal ist der Straßenbelag recht holprig. Die vier Onroader biegen dann bei Pieve di Cadore rechts Richtung Cortina d’Ampezzo ab, ich fahre die SS51 bis nach Longarone weiter, will ich doch zur Staumauer des Vajont, wo vor fast genau 61 Jahren eine der größten Naturkatastrophen Europas stattgefunden hat!
Auszug aus einem Artikel >>> Der Standard, 30.10.2007 <<<:
Ein umstrittenes Staudammprojekt tötete 1963 rund um den italienischen Ort Longarone fast 2.000 Menschen. Am 9. Oktober 1963 löste sich in den italienischen Alpen eine 270 Millionen Tonnen schwere Flanke vom Berg Toc und stürzte in den Vajont-Stausee. Der Aufprall setzte eine Energie frei, die mit jener von drei Hiroshima-Atombomben vergleichbar ist. 25 Millionen Tonnen Wasser schwappten über den Staudamm, eine 160 Meter hohe Flutwelle vernichtete fünf Dörfer im Tal.
Die Adriatische Elektrizitätsgesellschaft SADE hatte in den 1930er-Jahren beantragt, ein Wasserkraftwerk in den Bergen bauen zu dürfen: den Vajont-Staudamm mit der auch heute noch einer der höchsten Staumauer von 261 Metern. Das zuständige Ministerium erteilte im Oktober 1943 die Bauerlaubnis, womit hunderte Familien enteignet und umgesiedelt wurden.
SADE begann den Bau der Staumauer 1956, noch vor Zustimmung der Regierung und trieb das Projekt mit Entschiedenheit voran, konnte sie doch Gutachten vorweisen, deren Sachverständige jedoch auf ihrer Lohnliste standen. Während der Bauarbeiten rissen an den Hängen über dem Tal Straßen auf, nun wurden endlich weitere Experten mit Erkundungen beauftragt. Der österreiche Geologe Leopold Müller identifizierte eine 600 Meter dicke und zwei Kilometer weite M-förmige Rutschmasse auf dem Berg Toc und erkannte als Erster, dass eine Katastrophe drohte. Doch Müllers Warnung fand kaum Gehör, andere Experten widersprachen. Auch der Sohn vom Chefingenieur des Vajont-Staudamms, Edoardo Semenza, selbst Geotechniker, verschärfte die Warnung von Leopold Müller, als er entdeckte, dass sich 200 Millionen Kubikmeter Gestein auf dem Berg unmerklich talwärts bewegten. SADE und Politiker beschlossen jedoch, das nicht genehme Gutachten unter Verschluss zu halten – so wurde der Staudamm im Herbst 1959 fertig gestellt und man begann, den See probehalber zu füllen.
Im November 1960 gab der Berg eine Warnung: Ein mächtiger Gesteinsblock stürzte ins Wasser, im Hang taten sich meterbreite Gräben auf – sie verliefen M-förmig, wie es Müller vorhergesagt hatte – und leichte Erdbeben ließen das Tal vibrieren. Nun erkannten alle Geophysiker, bis auf den vom Staat eingesetzten Geologen Francesco Penta, die große Gefahr. Im Juli 1962 ergeben Laborexperimente, dass das Wasser des Sees nach einem Bergsturz über die Staumauer treten und Siedlungen im Tal überflutet würden. Doch SADE hielt auch diesen Bericht geheim. Am 3. September erschütterte dann ein heftiges Erdbeben das Vajont-Tal, am 15. September ruckte die gesamte Flanke am Toc um 22 Zentimeter nach unten. Jetzt erst sahen die Verantwortlichen ein, dass sie das Projekt stoppen mussten. Sie glaubten jedoch, dass sie nur das Wasser abzulassen brauchten, um die Rutschung zu stoppen. Doch die Flanke bewegte sich weiter, bis sie am 9. Oktober 1963 vollständig in den Stausee fiel.
Die Bergflanke rutschte mit fast 100 km/h zu Tal und stürzte in den Stausee. Das Wasser schoss über die Staumauer und trieb einen Sturm vor sich her. Die Flutwelle löschte fünf Dörfer aus, andere wurden zu großen Teilen zerstört. In Longarone gab es die meisten Opfer.
In Dutzenden Gerichtsprozessen wurde die Katastrophe in den folgenden Jahrzehnten verhandelt. Den Opfern wurde Schadenersatz von insgesamt 22 Milliarden Lire – heute etwa elf Millionen Euro – zugesprochen. Mehrere Verantwortliche wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt.
>>> Der Standard, 30.10.2007 <<<
Heute erinnern eine Gedächtniskapelle, Gedenktafeln, Fähnchen, die im Wind am Geländer wacheln, an das schreckliche Unglück vor 61 Jahren. Ich habe richtig Gänsehaut beim Gedanken daran.
Meine volle Konzentration wieder verlangen die knackigen Kehren der SS251 über den Passo di Sant´Osvaldo, auch wenn diese vom tollen Bergpanorama leicht abgelenkt wird. Nach dem Lago di Barcis führt die ‚Strada Turistica del Pian delle More‘ (was für ein Name für eine Straße!) 17 km zum FIS-Weltcuport Piancavallo hinauf. Bester Asphalt, Kurve um Kurve, keine Ortschaften, Tempolimit: außerorts. Trotzdem fühle ich mich hier sehr unwohl! Der Grund: Vor jedem engeren Bogen zeigen Bremsspuren, dass hier wohl sehr häufig Rennfahrer, oder die, die es gerne sein wollen, unterwegs sind. Und speziell bei unübersichtlichen Rechtskurven muss ich immer daran denken, dass mir plötzlich genau jene entgegenkommen, die für ihre Ideallinie meine Fahrspur benutzen! Zum Glück war das aber nicht der Fall. Bei Recherchen später zu Hause stelle ich fest, dass 2 Wochen zuvor eine Sonderprüfung der ‚Rallye Piancavallo 2024‘ hier stattgefunden hat – daher die vielen Bremsspuren am Asphalt!
Eine großteils nicht asphaltierte Höhenstraße führt mich dann an der Grenze Friaul-Julisch Venetien und Venetien Richtung Süden entlang. Eine herrliche Aussicht von hier oben bis ans Meer könnte man genießen, wenn das Wetter mitspielen würde. Leider aber hat sich Hochnebel breit gemacht, der die Sicht entsprechend einschränkt. Nächste Station: ‚Pancina Gigante #190‘, oberhalb von Cavena! Auf einer Kopie des XXL-Lutz-Sessels (etwas niedriger als das 30 m hohe Original ;-)) mache ich es mir gemütlich und stelle mir den grandiosen Ausblick von hier oben halt in meiner Fantasie vor (weil es ja noch immer leicht nebelig ist 😒!
Kurz vor Vittorio Veneto beginnt es leicht zu nieseln. Am Hauptplatz, bei einer Jause in der ‚Bar All’Arco‘, kommt ein Gefühl von Traurigkeit in mir hoch, muss ich doch an einen liebenswerten Kollegen und guten Freund denken. Seine Mutter ist in dieser Stadt aufgewachsen und er hat oftmals seine Ferien hier verbracht. Während unserer Motorradreise 2023, auf der Anreise in die Pyrenäen, habe ich von seinem Ableben erfahren müssen. Raimund, nur deinetwegen bin ich jetzt hier!
Da es schon später ist als geplant, geht sich eine Fahrt auf der längsten Rolltreppe der Alpen in Belluno heute nicht mehr aus. So verlasse ich halt den südlichsten Punkt meiner Herbsttour gleich direkt Richtung Norden, stehen doch noch über 100 km bis Sauris an. Die Route, der Piave entlang, ist nicht wirklich kurvenreich und erlaubt somit auch ein etwas forscheres Tempo. Letzte Rast am Lago di Cadore: Die Badesaison in Italien dürfte auch hier schon vorbei sein, da die Tretboote bereits auf mit ‚Kurzparkzone‘ gekennzeichneten Parkplätzen abgestellt sind! 😉
Regen begleitet den letzten Tagesabschnitt, den ich bereits 8 Stunden zuvor in entgegengesetzter Richtung gefahren bin. Irgendwie ist die Zeit wieder viel zu schnell vergangen. Es war schön, ich habe wieder mal viel gesehen und erlebt! Loris will uns morgen in der Früh noch verabschieden, geht es dann doch wieder zurück nach Hause!
Südroute Vittorio Veneto 267 km
Gruppe ART (+Michi): Passo Duran, Passo Giau, Cortina, Passo Mauria
249km
24.9.
Heimreise. Nach dem Regen in der Nacht durchfahren wir bis zur Grenze nach Österreich nur ein paar kleine Regenschauer. Bis zum Wechsel bleibt es trocken. Aber dort wird es dann richtig nass. Zum Glück nur bis Wr. Neustadt.
493km
Gesamt 2013km