Pyrenäen 2023

11.6.(15.6.) – 1.7.2023

Heuer starten wir den 2. Versuch die Pyrenäen zu bezwingen. Die Tour vor 10 Jahren konnten wir ja wetterbedingt nicht wie geplant beenden. Bereits vor der Abreise bekommen wir die Information, dass die Abfahrt der Fähre von Genua nach Barcelona von 17h auf 22:30 verschoben wurde. Kein guter Beginn.

Frank und Ewald fahren bereits am 11.6. los, da sie direkt von Österreich fahren und einige Offroad-Passagen auf ihrem Weg mitnehmen wollen. Ewald’s Bericht dazu am Ende dieser Seite

15.6.
Abreisetag. Treffpunkt 21h beim Autoreisezug. Wieder eine Nachricht von GNV. Jetzt ist die neue Abfahrt der Fähre um 4h früh. Ankunft in Barcelona erst um 20:45. Nach der Verladung genehmigen wir uns ein Geburtstagsbier um auf Michi anzustossen. Abfahrt ist pünktlich um 22:44.

16.6.
Frühstück im Zug um 6h. Aber ohne Kaffee. Es gibt kein heisses Wasser. Dann eben nicht. Ankunft in Feldkirch dann um 7:50. Entladung der Motorräder und um 8:30 fahren wir schon los Richtung Süden. Aber nicht ohne der ersten Routenänderung. Die Tour de Suisse würde uns auf unserer Route genau entgegen kommen. Also nehmen wir die Strecke über den Splügenpass. Erstes Etappenziel wird dann Osio Sotto, Hotel La Braserie.

Schlechte Nachrichten kommen von unseren beiden Offroadern. Frank’s neues Motorrad blieb auf der Assietta Kammstrasse mit einem Defekt liegen. Abtransport mit LKW in eine Werkstatt in Turin. Kupplung ist total im Eimer. Wie es weitergeht ist noch ungewiss.

17.6.
Da die Abfahrt unserer Fähre in Genua ja erst mitten in der Nacht ist, haben wir keine Eile dorthin zu kommen. Dazwischen wieder Neuigkeiten von Frank. Reparatur wurde durchgeführt, die war aber nicht erfolgreich. Also fährt er jetzt mit einem Leihmotorrad weiter. Wir sollten uns am Montag in Andorra treffen. Nach ein paar sehr schönen und zügigen Bergstrassen machen wir eine kleine Pause bei einem scheinbar sehr beliebten Treffpunkt für Motorradfahrer. Quasi die Kalte Kuchl von Genua. Letzter Stopp dann am Strand von Rocco für Jause und Abendessen. Um 22h erreichen wir den Hafen. Wir stehen inmitten von gefühlt hunderten überladenen Fahrzeugen, die nach Tanger weiterfahren. Um 2h fahren wir endlich auf die Fähre. Nachdem die Beladung abgeschlossen ist, legen wir um 3:05 ab und wir legen uns nach einem Bier nieder.

18.6.
Ein Tag auf See. Aus der Kabine müssen wir um 19:15 und gegen 21:15 können wir vom Schiff fahren. Jetzt haben wir noch ca 35km bis Mataro.
Mataro B&B Hotel Barcelona. 35km

19.6.
Da wir ja durch die Verschiebung der Abfahrtszeit der Fähre erst so spät in Barcelona angekommen sind, fahren wir heute über unsere schon bekannte Strecke bei Toses nach Andorra. Dort treffen wir auch Ewald und Frank, die ja schon vor einer Woche losgefahren sind. Frank ist seit 2 Tagen mit einem Leihmotorrad (BMW G310, mit 34PS) unterwegs, da seine neu gekaufte GS mit einem Totalschaden der Kupplung auf der Assieta liegengeblieben ist.
Pas de la Casa, Hotel Terranova 193km

20.6.
Von Pas de la Casa gleich über den Port d’Envalira quer durch Andorra. Kurz vor 12h müssen wir unsere Regensachen für die nächsten 1,5h bis zur Mittagspause anziehen. Und 45km vor unserem Tagesziel kommen wir zu einer Strassensperre! Ein deja-vu. Sperre wegen Bauarbeiten. Also kommen wir heute nicht mehr bis Ainsa. Die Umleitung würde noch über 1h dauern, zurück nach Castejon de Sos und dort Hotel suchen. Hotel Pirineos. 261km

21.6.
Unser erste Ziel heute ist eine Postfiliale in Ainsa, das wir ja gestern nicht mehr erreichen konnten. Frank kann dort seinen, in Mailand gekauften, Helm nach Hause schicken. Erst danach starten wir unsere geplante Route. Bis Mittag ist es noch trocken, aber die nächsten 1,5h regnet es bis zur Estacion Canfranc. Nachdem wir im Hotel in Ochagavia angekommen sind, beginnt es wieder zu regnen.
Ochagavia Hotel Rural Aunamendi. 309km

22.6.
Am heutigen Tag steht die Wende unserer Reise am Plan und somit endet auch unser Weg Richtung Westen. Vormittag immer wieder Regen bis wir am zweitgrößten Küstengebirge Spaniens dem Jaizkibel (455m) ankommen. Hier oben ist ziemlicher Nebel, also keine Sicht zum Atlantik. Aber zumindest haben wir ab hier keinen Regen mehr. Wir fahren entlang des Urumea-Flusses und weiter bis Pamplona. Hier machen wir eine kleine Runde durch die Altstadt. Es ist schon alles in Erwartung auf San Fermin, wo Stiere und Ochsen über eine 825m lange Strecke durch die Stadt bis zur Arena getrieben werden. Als Abendessen genehmigen wir uns Paella.
Pamplona Hotel Pamplona Plaza. 259km

23.6.
Wir verlassen Pamplona Richtung Norden und kommen bei Eugi an den Ruinen einer historischen Waffenfabrik (Real Fabrica de Armas) aus dem 18. Jhdt vorbei. Pause am Col d’Ispeguy und wieder zurück ins Tal.
Jaca Gran Hotel 300km

24.6.
Heute steht die Königsetappe auf dem Programm. Wir folgen den Spuren der Tour de France. Das Wetter ist hervorragend. Sonnenschein und blauer Himmel. Am Beginn steht der Col de Pourtalet, mit dem wir auch Spanien verlassen. Danach befahren wir nacheinander den Col d’Aubisque, Col du Soulor und am Ende folgen noch der Col du Tourmalet und der Col d’Aspin. Im geplanten Tagesziel Arreau sind keine Zimmer zu bekommen. So fahren wir weiter bis Bagneres de Luchon, das bei unserer ersten Tour 2013 unter Wasser gestanden ist.
Bagneres de Luchon. Hotel d’Etigny. 246km

25.6.
Über den Col de Portillon kommen wir noch einmal kurz nach Spanien. Danach folgen mit dem Col de Mente und dem Col Portet-d’Aspet zwei Pässe die 2013 gesperrt waren. Mit dem Col de la Core und dem Port de Lers befahren wir die letzten beiden Pässe der Pyrenäen auf unserer Tour. Bei 34° geht es großteils über Landesstraßen in der Ebene bis Castelnaudary.
Castelnaudary Hotel Ibis. 252km

26.6.
Nach der Abfahrt fahren wir über eine kleine Hügelkette im Nebel und leichtem Nieseln. Wieder im Flachland, steigt die Temperatur heute bis auf 36°. So erreichen wir Nimes.
Nimes Hotel Emperor. 346km

27.6.
Von Nimes, entlang der Rhone kommen wir bei Avignon vorbei. Danach geht es auf den 1910m hohen Mont Ventoux. Am Gipfel eigentlich nur Geröll, aber die Aussicht ist fantastisch. Nach einer kleinen Stärkung weiter durch die Gorges-Meouge und schließlich bis zum Stausee Lac de Serre-Poncon.
Savines le Lac. Hotel Les Sources. 286km

28.6.
Eine kurze Etappe heute. Über den Col d’Izoard und danach über den Montgenevre verlassen wir Frankreich und kommen wieder nach Italien. Ziel für heute ist die BMW Werkstatt in der Nähe von Turin, in der Frank sein Leihmotorrad zurück geben muss. Von dort bekommen wir auch die Adresse einer Reifenwerkstatt in Turin, in die Thomas und Alfi fahren, um die Reifen bei Thomas‘ Motorrad wechseln zu lassen. Der Hinterreifen ist am Ende. Das funktioniert alles bestens. Kaum eine Stunde später ist alles erledigt und die NT hat neue Bridgestones.
Rivoli. Hotel Davide. 209km

29.6.
Heute verabschieden wir uns von Frank, der ja heute nach Hause fliegen muss. Sein Motorrad wurde schon nach Wien geholt. Den Rest der Tour fahren wir nur noch zu fünft. Wir fahren lange und mühsam bis, und entlang des Como-Sees bis Sondrio.
Sondrio. Hotel Vittorio. 299km

30.6.
Beim Frühstück regnet es noch, aber rechtzeitig zur Abfahrt hört der Regen auf. Trotz der schlechten Wetteraussichten bleibt es den ganzen Tag über trocken. So fahren wir über den Passo Tonale, bis zur Mittagspause in Cles mit Blick auf den Lago di Santa Giustina. Danach über den Mendelpass und weiter bis Bozen und von hier nördlich bis wir wieder nach Österreich kommen. Noch durch das Lesachtal erreichen wir unser letztes Tagesziel.
Kötschach-Mauthen. Hotel Erlenhof. 348km

Lago di Santa Giustina

Ewald’s Anmerkungen zur einwöchigen Pyrenäen-Anreise, die eigentlich viele Offroad-Schmankerl beinhalten sollte!

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!

Sonntag, 11.6.2023
Frank kommt überraschend mit „neuer“ BMW R 1250 GS (Bj 2022, 17.000 km) und neuem Helm zum Treffpunkt in Wöllersdorf. Franz ist auch da und wünscht uns alles Gute. Heute gibt’s starken Reiseverkehr, ist es doch Sonntag nach einem verlängerten Wochenende. Gutes Mittagessen in einer urigen Schihütte am Katschberg und dann: Nach dem Iselsberg steht alles still! Gefühlt eine Stunde dauert die Durchfahrt durch Lienz! Grund: Ein Radrennen führt immer wieder zu längeren Anhaltungen. Noch ein kurzer Aufenthalt beim 3-Zinnen-Blick und schließlich geht’s über den Passo Tre Croci zu unserem Tagesendziel: Cortina d’Ampezzo. Hotel Olimpia, rd. 500 km ab Wien.
Und ja: Der neue Helm drückt stark, obwohl die 1 1/2 Stunden lange Probe beim Kauf im Geschäft ohne Probleme verlaufen ist!

Montag, 12.6.2023
Mitten im Herzen und der schönsten Pässe der Dolomiten: Falzaregopass – Livinallongo del Col di Lana – Passo di Campolongo – Grödner Joch! Ein Hochgenuss an Kurven sondergleichen, da sich auch der Verkehr sehr in Grenzen hält. Noch über das Sellajoch und dem Passo di Costalunga (Karerpass), dann sind wir am Karersee! Nachdem wir uns kurz die Beine vertreten haben, stärken wir uns mit einer guten Jause. Über einmalige Serpentinen geht’s hinunter ins Etsch-Tal, vorbei am gut besuchten Kalterer-See. Kurvenorgie am Mendelpass (Passo Mendola). Als Pausenplatz ist die Terrazza dei Sapori, bei Cles, mit wunderbarem Blick auf den Lago di Santa Guistina vorgesehen – nur leider heute, Montag, haben die einen Ruhetag! Schade, aber was soll’s: Über den Passo del Tonale erreichen wir das heutige Tagesziel, Sondrio. Hotel Vittoria, 322 km.
Und wieder ja: Mittlerweile verursacht der Helm bei Frank solche Schmerzen, dass Fahrten über eine Stunde ohne Pause kaum mehr möglich sind.

Dienstag, 13.6.2023
Für heute war eine Route, die über den Passo di San Marco und dem Autodromo Monza nach Turin führt, vorgesehen. Warum ‚war vorgesehen‘? Genau: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt! Nachdem das Fahren mit besagtem Helm mittlerweile schon fast unmöglich ist, beschließt Frank, einen anderen zu kaufen. Daher folgende Routenänderung: Gleich mal zum etwa 10 km entfernten BMW-Händler: Leider hat dieser keinen, um eine Nummer größeren, lagernd. Der Mitarbeiter telefoniert aber noch mit der BMW-Niederlassung in Lecco – ja, die sollten den haben. Leider aber eine Fehlinformation! Dort dann selbiges Prozedere: Lecco ruft die nächste BMW-Niederlassung, Mailand, an – ja, dort sollten sie den passenden haben. Um 12:30 Uhr (Siesta lt. Google-Maps: 13:00 – 14:00) erreichen wir BMW Mailand. Ein unfreundlicher Mitarbeiter verweigert uns aber den Eintritt ins Motorradgeschäft und weist auf den Eingang zum BMW-Autoverkauf hin. Später sollte sich herausstellen, dass die Mittagspause der Motorradabteilung eine halbe Stunde früher beginnt. Also trotz Pause erbarmt man sich unser und um Punkt 13 Uhr verlassen wir samt neuem, um die eine Nummer größerem Helm, das Gebäude. Auch die Suche nach einem offenen Postamt (der alte Helm wird an die Adresse von Frank nach Hause geschickt), einer passenden Schachtel und schlussendlich auch noch die Formalitäten für den Versand nach Österreich, erweisen sich als eine zeitintensive Herausforderung. Aber Ende gut, alles gut! Zumindest für den Augenblick mal! Noch ein spätes Mittagessen in Mailand und danach auf schnellstem Wege nach Turin. Der Kopf von Frank schmerzt auch mit neuem Helm noch, aber die Zeitspanne: Pause zu Pause, kann wieder ausgedehnt werden. Ein längerer Pausenstopp wird gg. 18 Uhr in einem kleinen, typisch italienischen Dorf eingelegt, wo man damit rechnet, dass Don Camillo und Peppone jeden Moment ums Hauseck kommen. Das vorgebuchte Hotel in Turin erreichen wir schließlich doch noch gg. 20:30 Uhr. Nach slapstickartiger Garagierung unserer Bikes (die falsche Garagenabfahrt sorgt für ein großes Gaudium bei zahlreichen Balkongästen im Vierkant- Innenhof des Wohn- / Hotelblocks) steht im Lokal, gleich um die Ecke, dann für jeden von uns eine Pizza am Tisch.
Turin, Hotel Miramonti, 316 km

Mittwoch, 14.6.2023
Der heutige Tag sollte das Highlight unserer Anreise sein: Der naturbelassene Colle delle Finestre und eine der wohl beliebtesten Offroad-Strecken der Westalpen, die rd. 42 km lange Assietta-Kammstraße (kurz: AKS) stehen am
Programm! Warum ‚sollte‘? Ach ja – eh nichts mehr Neues: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt! Also: Leichter Niesel bei der Anreise nach Susa, wo die Auffahrt zum Finestre beginnt. Der Pass ist offiziell noch bis morgen, 15.6., gesperrt, aber eine Fahrverbotstafel ohne Zusatz auf ein Landesgesetz steht in Italien, wissen wir, für „Befahren auf eigenes Risiko“! Der Weg auf den fast 2.200 m hohen Pass ist recht passabel befahrbar. Nur die letzten Kehren haben es in sich: Straßenbauarbeiter sind gerade damit beschäftigt, den dezimeterhohen Schlamm mit einer Erd- und Schotterschicht zu vermengen und glatt zu walzen. Trotz leichtem Graupel nehmen wir den kurzen Fußweg zum verfallenen Fort – eine willkommene Abwechslung zum stundenlangen Sitzen auf unseren Bikes! Und schon geht’s weiter! Nachdem die Einfahrt zur AKS wegen Sperrgitter für mehrspurige Fahrzeuge nicht möglich ist – geschlossen bis 30.6. ist auf einer großen Anzeigetafel zu lesen – überlegen wir, vorerst mal nur bis zum 2.472 m hohen Colle delle Finestre zu fahren. Da der Streckenzustand jedoch besser als erwartet ist (herausfordernd, aber ungefährlich), beschließen wir, die AKS wie geplant über Colle di Lauson, Colle Blegier, Monte Genevris, Colle Bourget und Colle Basset bis Sestriere zu fahren. Aber nach knapp 2/3 der Strecke passiert es: Beim Anstieg zum Monte Genevris (2.536m) gibt Franks Motorrad den Geist auf! Sie rührt sich nicht mehr vom Fleck, trotz wiederholten Neustarts, Wechseln der Fahrmodi, Ausschalten von ASR, bei eingelegtem erstem Gang und losgelassener Kupplung dreht sie hoch, ohne sich zu bewegen. Und das hier, abseits jeglicher Zivilisation, 15 km von Sestriere entfernt. Was nun? Frank beschließt, das Motorrad hier stehen zu lassen und zu Fuß nach Sestriere zu gehen! Seine wichtigsten Sachen gibt er in die Gepäckrolle, die ich dann auf meinen linken Seitenkoffer zurre. Dort, wo es die Streckenverhältnisse ermöglichen, ist Frank Sozius, doch der zunehmend schlechter werdende Weg erlaubt kaum längere gemeinsame Fahrten. Alleine fahre ich immer wieder etwas vor, um geeignete Abschnitte zu finden, wo ein Aufsitzen möglich ist. Nach etwa 5 km treffe ich bei einem kleinen Rastplatz auf zwei Abenteurer aus Kärnten, die ihre beiden 4 x 4 Fahrzeuge mit Vorzelt und Zeltaufbau für eine Übernachtung entsprechend positioniert und sich’s bereits beim Lagerfeuer gemütlich gemacht haben. Nach kurzer Schilderung der Situation ist Daniel, einer der Fahrer, bereit, seinen Defender startklar zu machen, Frank entgegenzufahren und ihn ins Tal nach Sestriere zu bringen (Fahrdauer: rd. 1 Stunde!!!). Mit einem: „Wir sind ja auch froh, wenn uns einer hilft!“ verabschiedet er sich dann von uns. Mittlerweile ist es 19 Uhr und wir haben noch keine Unterkunft! Obwohl in Sestriere ein Hotel neben dem anderen steht – im Sommer herrscht aber tote Hose, fast ausnahmslos sind alle geschlossen. In einer Pizzeria haben wir schließlich Glück: Der Inhaber kann uns Zimmer in einem nahe gelegenen Sporthotel verschaffen. Ich fahr schon mal vor und berichte dem Hotelmanager die verkorkste Situation. Gott sei Dank spricht dieser sehr gut Deutsch. Wie sich nach und nach herausstellt, ist dieser der ehemalige italienische Schirennfahrer Gianfranco Martin, Silbermedaillengewinner der alpinen Kombination bei den Olympischen Winterspielen 1992 in Albertville. Und Deutsch gelernt hat Gianfranco Martin während seiner aktiven Laufbahn übrigens auch von seinen österreichischen Konkurrenten und Freunden wie Patrick Ortlieb, Leonhard Stock, Peter Wirnsberger, Christian Mayer, Thomas Stangassinger, … Mit diesem Gesprächsthema war schnell das Eis gebrochen. Auf die Frage, ob er vielleicht einen einheimischen Bauern kennt, der morgen eventuell mit einem Traktor samt Anhänger Franks BMW ins Tal bringen kann, verspricht uns Gianfranco, über Nacht nachzudenken, wie er uns helfen kann! Wow – das ist schon mal eine Ansage, die uns Hoffnung macht! Sestriere, Hotel Lago Losetta, 116 km

Donnerstag, 15.6.2023
Ungeplanter Ruhetag – zumindest für die ersten Stunden des Tages! Gleich beim Frühstück unterrichtet uns Gianfranco, dass er mit seinem Jeep zum Monte Genevris hoch fahren wird, um sich vor Ort ein Bild machen zu können. Nach etlichen Telefonaten, die Frank in der Zwischenzeit wegen Überstellung des Motorrades in die nächste BMWWerkstätte, Reparatur bzw. Ausleihung eines Ersatzmotorrades, …, geführt hat, machen wir eine kleine Runde zu Fuß durch Sestriere. Es ist ja, wie gesagt, unser Ruhetag! 😉 Gegen Mittag berichtet uns dann Gianfranco, die GS an der beschriebenen Stelle gesehen zu haben und dass er für die Bergung nun im Ort einen Anhänger für sein Quad aufzutreiben versucht. Warum Anhänger für sein Quad und nicht für den Jeep? Nicht bedacht: Dieser hat keine Anhängervorrichtung! Der Gedanke, das 280 kg schwere Bike über zum Teil steile Passagen zu transportieren, bereitet mir Unbehagen. Auf meine Frage, wie hoch die Chancen für die Bergung mit dem Quad sind, meint er nur knapp: „Wir müssen sie ja runter bringen“! Eine Stunde später: Frank und ich sitzen im Fond des Jeeps, am Steuer Gianfrancos Sohn und am Beifahrersitz ein Freund von ihm. Vor uns, in wilder Fahrt rauf zum Monte Genevris, ein Quad, dessen Anhänger bei jeder größeren Bodenunebenheit wie wild von einer zur anderen Seite springt. Wenn das nur gut geht! Dauerte Franks Fahrt am Vortag als Beifahrer im Defender rund eine Stunde, sind wir nun doch nach nur knapp 30 Minuten beim Ziel angelangt! Und wenn man bedenkt, dass es heute bergauf ging und Frank’s rund 5 km Fußmarsch ja gar nicht mit eingerechnet war, …! Alles klar? Die Verladung und Fixierung der BMW am Anhänger geht dank Gianfrancos Knotenkenntnisse relativ schnell. Ich ersuche ihn noch, sehr vorsichtig zu sein und absolut nichts zu riskieren. Jedenfalls scheint die Fuhre, aus dem hinten nachfahrenden Fahrzeug heraus betrachtet, relativ unspektakulär unterwegs zu sein. Über eine Stunde später steht dann das Zweirad am Hotelparkplatz! Mit dem Grappa, nach dem Abendessen im Hotel, macht sich schön langsam auch die geistige Anspannung aus dem Staub. Was für zwei aufregende Tage sind nun zu Ende! Aber: Nur wenige können von sich behaupten, dass ihr Fahrzeug von einem Olympia-Medaillengewinner abgeschleppt wurde!!! 😉
Apropos Albertville 1992: Olympiasieger wurde damals Josef Prolig, ebenso aus Italien, die Bronzemedaille ging an den Schweizer Steve Locher! Unter den 37 Platzierten in der alpinen Kombination scheint kein Österreicher auf! Stephan Eberharter, Günther Mader, Rainer Salzgeber und Hubert Strolz, alle schieden aus!
Sestriere, Hotel Lago Losetta, 33 km (Fußmarsch und Jeep)

Freitag, 16.6.2023
Während Frank am Beifahrersitz des Abschleppdienstes auf direktem Wege zur BMW Werkstätte Finotti nach Rosta (nahe Turin) sitzt, folge ich der kurvenreichen Route, die mir mein TomTom vorgibt. Gegen Mittag erreiche auch ich diesen Treffpunkt. Frank erzählt mir, dass am Bike bereits gearbeitet wird und er schon ein sich drehendes Hinterrad gesehen hat. Seine Überredungskunst und / oder auch Schmattes bewirkten, dass man sich seines Fahrzeugs annimmt, obwohl die Werkstatt ziemlich ausgelastet zu sein scheint. Die Diagnose dann: Kupplung ausgeglüht oder mit verständlicheren Worten gesagt, ‚die Kupplungsscheiben hat’s voll zerrissen‘! Die vorgeschlagene Therapie: Kupplung tauschen! Für die Mechaniker, die sich wirklich sehr bemühen, bedeutet das einige Stunden zusätzliche Arbeit, ist doch morgen die Werkstatt geschlossen und die gestrandeten Österreicher wollen ihre Reise in die Pyrenäen ja unbedingt fortsetzen. Für mich beginnt ein neues Kapitel Routenplanung – haben wir ja mittlerweile bereits 2 1/2 Tage Rückstand – die nun vorsieht, unsere 4 Kollegen nicht am Sonntag am Cap de Creus (am Mittelmeer), sondern erst am Montag in Andorra zu treffen. Der Fokus liegt daher drauf, die rd. 780 km auf schnellstem Wege zurückzulegen. Daher müssen leider etliche Highlights der ursprünglichen Route, wie der Col Agnel, die Auffahrt zum Tunnel des Col du Parpaillon, der Nationalpark de l’Ardeche, der Parc National des Cavennes, Florac-Trois-Rivieres, das Tal des Tarn, usw., ausgelassen werden! Meine Planung ist gg. 16 Uhr beendet, die Aufgabe der Mechaniker erst nach 19 Uhr. Nach einer kurzen Probefahrt durch einen Mechaniker wird die Maschine mit einem Daumen hoch an Frank übergeben. Bezahlung der Rechnung, dann geht’s nach ins 40 km entfernte Susa, wo ich denke, ein Quartier für die heutige Übernachtung zu finden! Aber so weit kommen wir erst gar nicht: Nach bereits rd. 6 km Fahrt nimmt Frank plötzlich ein krachendes Geräusch vom Motor her wahr. Daraufhin steuern wir in Schrittgeschwindigkeit das nächste Hotel, das uns das Navi vorgibt, an. Nur, dort ist außer ein mittlerweile verfallenes Haus gleich neben den Bahngleisen, nichts zu finden. Dann eben in die nächste Ortschaft: Condove. Zwei ältere Männer sitzen im Gastgarten der Pizzeria Puntovirgola und genießen den lauen Abend. Obwohl wir uns hier noch in Italien befinden, kann die Nähe zu Frankreich nicht verleugnet werden: Typische Architektur, das Dorfzentrum, Rotwein am Tisch und wenn jetzt auch noch Louis de Funès als Gendarm aufkreuzen würde, wäre das nicht verwunderlich. Und auch die Gäste unterhalten sich ja zum Teil Französisch mit Besitzer/Koch und Kellner. Besseres kann uns gar nicht passieren, spricht Frank ja ausgezeichnet diese Sprache! Nachdem unsere Situation den Anwesenden bekannt ist, werden für uns mal Getränke und Abendessen bereitgestellt (mittlerweile ist es fast 22 Uhr und unsere letzte Mahlzeit hatten wir zu Mittag!), während einer der Gäste – dieser dürfte vor seiner Rente Bürgermeister dieser Gemeinde gewesen sein – Telefonate bezüglich unserer Unterkunft für heute Nacht führt. Der Zufall will, dass er Zimmer in der Nähe der BMW-Werkstatt auftreiben kann. Zumindest eine Sorge mal weniger und auch kein Zeitdruck, können wir doch die ganze Nacht über im Hotel einchecken! Es dürfte sich in der Ortschaft schnell herumgesprochen haben, dass sich in der Pizerria zwei gestrandete Biker aufhalten, kommt doch glatt ein Mechaniker vorbei und lässt sich sehr ausführlich das Geschehene berichten. Nachdem er uns rät, das Motorrad nicht mehr zu starten, sondern abzuschleppen, verlässt er das Lokal und fährt nach Hause. Wir überlegen das mit dem Abschleppen und entschließen uns dazu, weil auch Frank bereits Erfahrung darin hat. Kurze Zeit später erhält der Kellner einen Anruf vom Mechaniker, der wissen möchte, ob wir eh noch vor Ort sind. Grund: Während der Heimfahrt läutet sein Handy! Ein ‚RAUL‘ ruft ihn an! Er kennt aber keinen ‚RAUL‘, hebt trotzdem ab, versteht jedoch kein Wort, da der Anrufer Deutsch spricht. Erst jetzt bemerkt er, dass es gar nicht sein Handy ist! Hat er doch glatt beim Weggehen Franks Telefon eingesteckt!!! Und der Anrufer war kein ‚RAUL‘, sondern ‚PAUL‘, Franks Sohn! Bitte Mechaniker: Vereinbare doch einen Augenarzttermin! Puh: Aber was war das für ein Glück, dass Paul noch so spät angerufen hat – sonst wäre es Frank erst später irgendwann mal aufgefallen, dass er kein Handy mehr hat – Schock pur!!! Mittlerweile ist es bereits nach Mitternacht! Unsere Motorräder sind mit zwei Zurrgurten, die miteinander verknüpft sind, aneinander verbunden. Wir verabschieden uns noch kurz bei den in der Pizzeria Anwesenden und machen uns auf den Weg! Vom Nachtportier bekommen wir die Zimmerschlüssel, stellen die BMW vor die Werkstätte, trinken noch ein gepflegtes Bier und legen uns um 3 Uhr in unsere Betten! Was für ein verrückter Tag, der hiermit zu Ende geht!
Rosta (Turin), Hotel des Alpe, 110 km (z.T. im Abschleppwagen)

Samstag, 17.6.2023
Um Punkt 9 Uhr sind wir bei BMW Finotti! Man erkennt uns gleich wieder – sind diese Typen doch gestern den halben Tag lang hier schon herumgelungert. Nur, wie schon geschrieben, ist die Werkstatt ja am Samstag geschlossen. Unseren Plan, ein Leihmotorrad zur Verfügung zu stellen, bemüht man sich gleich zu untergraben! ‚Finotti verleiht keine Motorräder‘ ist zu vernehmen. Erst als wir in der Werkstätte auf 3 Bikes hinweisen, die mit den Aufschriften: ‚RENT A RIDE‘ und ‚Finotti Motorrad Test Ride‘ versehen sind, ziehen sich die zwei Angestellten kurz zurück. Nach ca. 10 Minuten – wahrscheinlich hat man inzwischen den Geschäftsführer kontaktiert – teilt man uns mit, doch eines der Bikes zu verborgen. Kein Schnäppchen, was die für 10 Tage, 1.900 km und jeden zusätzlichen Kilometer extra verlangen. Aber gibt es noch eine weitere Option als der sofortige Abbruch unserer Pyrenäen-Reise? Also – Frank packt die nötigsten Dinge in seine Gepäckrolle und in sein Topcase (ja, kaum zu glauben, aber dieses passt auf das 34 PS starke Leihfahrzeug G 310 GS) und wir können die adaptierte Route über Susa, den Col de Montgenevre (Grenze zu Frankreich) und Briancon, wenn vom Tempo her auch etwas gemächlicher, fortsetzen. Und ja, da ist auch immer noch die Sache mit dem Helm: Die Fahrpause von fast 2 Tagen hat bei Frank jedoch nicht bewirkt, dass er jetzt schmerzbefreit unterwegs sein kann. Bei der letzten unserer Pausen, beim ‚Le Bus‘ am Stausee Lac de Serre-Poncon, schauen wir neidisch dem regen Treiben der Kitesurfer im Wasser zu, haben wir doch heute erstmals jenes Wetter, das man sich im Sommer im Süden vorstellt. Nahe Gap erreichen wir dann unser heutiges Ziel: Tallard, Hotel Le Cap
Resort, 191 km

Sonntag, 18.6.2023
Im Gegensatz zu den letzten Tagen verläuft der heutige Tag mal eher ruhig! Frank ist sich nun im Klaren, morgen in Andorra den nächsten Helm zu kaufen. So wie vor 10 Jahren, hofft er damit, dass mit seinen Schmerzen endlich Schluss ist. Von der Strecke her mit über 330 km wird es wieder eine späte Ankunft werden, höhere Passstraßen fehlen aber heute. Vor der Rhone-Überquerung, oberhalb von Avignon, machen wir Mittagspause in Orange. Die Stadt hieß früher: Arausio, erlebte eine geschichtsträchtige Schlacht 105 v. Chr. zwischen Römern sowie Kimbern und Teutonen und dürfte viel Sehenswertes bieten, was die Menge an Touristen vermuten lässt. Südlich von Montpellier sehen (und riechen) wir auf unserer Reise das erste Mal das Mittelmeer, wo sich jetzt gerade die Sonnenhungrigen in ihren Fahrzeugen auf dem Weg nach Hause stauen. Nach dem Bezug der Hotelzimmer in Beziers, machen wir uns auf die Suche nach den Pfaden, die wir hier – ja genau – vor 10 Jahren auch schon beschritten haben. Vom Platz der Cathedrale Saint-Nazaire aus blicken wir auf den Canal du Midi, der zusammen mit dem Canal de Garonne das Mittelmeer mit dem Atlantik verbindet. Am Hauptplatz, dem Place Jean Jaures, genießen wir dann unser Abendessen inmitten des vergnüglichen Treibens vieler Einheimischer, die den lauen Sonntagabend fröhlich ausklingen lassen. Beziers, Hotel IBIS, 334 km

Montag, 19.6.2023
Eigentlich sollte der heutige Tag der erste gemeinsame mit den 4 weiteren Grappas sein, die ja per Fähre nach Barcelona angereist sind. Da die Fähre jedoch ziemliche Verspätung hatte, wurde ausgemacht, uns direkt in Pas de la Casa / Andorra, zu treffen. Also führt unser Weg, begleitet von den vielen Booten am Canal du Midi, mal direkt nach Carcassonne. Die Ritterburg aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. (UNESCO-Weltkulturerbe) bietet sich als Fotomotiv geradezu an, wären da nur nicht die unzähligen Touristen, die immer wieder unmotiviert vor die Kamera huschen. Da wir für eine längere Besichtigung aber ohnehin keine Zeit haben, sind wir gleich wieder im Sattel unserer Motorräder. Die Landschaft hier verläuft großteils flach, ist geprägt von Weinanbau und Kurven sind Mangelware. Das ändert sich jedoch kurz nach Ax-les-Thermes schlagartig. Dort beginnt die fast 30 km lange Auffahrt zur Grenzstation nach Andorra am über 2.000 m hohen Pas de la Casa. Und da sehe ich sie schon, die Motorräder unserer 4 Österreicher, die mittlerweile ihre Hotelzimmer bezogen haben und sich bei einer gemütlichen Nachmittagsjause von ihrem ersten Tag in
den Pyrenäen erholen. Für Frank und mich endet hier eine überaus ereignisreiche Anreise. Und ja: Gleich im ersten Geschäft dem Hotel vis-a-vis wird Frank bei der Suche nach einem dann endlich passenden Helm fündig! Pas de la Casa (Andorra), Hotel Terranova, 234 km

Abschließend noch ein paar meiner Fotos von der G.o.T. – Pyrenäenreise 2023:

Einfach Grappa’s und saugeil!